In heutiger
Zeit, bei fortschreitender Digitalisierung der Welt, beim dramatischen
Anwachsen technischer Daten, Zeichen und Kürzel, bei raschem
Zugriff auf eine Überfälle abrufbereiter Bilder und Zahlen,
können die Chancen der Kunst nur in der persönlichen Botschaft,
nicht in der hektischen Anpassung an aktuelle Tendenzen liegen. Das
Individuum ist nicht berechenbar. Es ist allein die schöpferische
Phantasie, die Vielfalt geistiger Produktivität, die den Menschen
von Maschinen und von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Individuell
geprägte Bildwerke und Bilder sind sinnlich fassbare Zeugen
des Schöpferischen.
"Ein echtes Kunstwerk"- sagt Goethe
- "bleibt, wie ein Naturwerk, für unseren Verstand immer
unendlich, es wird angeschaut, empfunden; es wirkt. Es kann nicht
eigentlich erkannt, viel weniger sein Verdienst mit Worten ausgesprochen
werden."
Dedo Gadebusch studierte Bildhauerei an der Hochschule
für bildende Künste in Berlin, "nebenbei" -
wie er es nennt - absolvierte er eine Ausbildung als Schlosser
und Schweißer. Seit 1959 ist er als freier Bildhauer und
Maler tätig. Seine Werke findet man im Stadtraum und in Museen
- so stehen beispielsweise sein "Großer Wagenlenker" und
sein Brunnen "Unter Tempeln begraben VII" im Technikmuseum
Berlin.

Unter Tempeln begraben VII
Dedo Gadebusch hat seine künstlerische
Haltung einmal so beschrieben: "Ich wäre gern ein Phantast,
wenigstens ein Idylliker, und ich bestaune neidischen Herzens die
zeitgenössischen Bastler des Kunstbetriebs, die der Welt selbst
da, wo die Knochen knacken, ein delikates Ambiente verpassen, in
dessen Glanz es sich gut leben läßt." Für
Gefälligkeiten oder Schönfärbereien ist, wie man
sieht, bei Gadebusch kein Platz.
Er führt uns indessen auch
keine Visionen vor Augen, es geht ihm auch nicht um vordergründige,
am Einzelfall angesetzte Kritik: Gadebusch geht es ums Ganze, um
die Lage der Menschen in diesen Zeiten, um schicksalhafte Situationen
und Entwicklungen. "Frühzeitig geimpft gegen allgemeine
Lebenslügen" stellt er seine Werke ins Spannungsfeld
der Weltzustände und ihrer Bedingungen.
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Gadebuschs
Skulpturen wirken - mit Deformationen und Zeichen der Hinfälligkeit
unter schweren Lasten
- schon prima vista desillusionierend: "Signale der Unruhe" hat Paul
Corazolla die in steter "Auseinandersetzung mit dem Phänomen des
Daseins" geformten Bildwerke Dedo Gadebuschs genannt.

Großer Wagenlenker
Dedo Gadebusch besitzt die fabelhafte
Fähigkeit, assoziationsträchtige Motive in der Geschichte, in der
Kunst oder auch im Alltag, zu entdecken und sie für die eigenen Intuitionen
zu nutzen. Im "Römischen Tagebuch", einem 1976 begonnenen "Konvolut
aus figürlichen Szenarios und farbigen Assemblagen" schreibt er zu
den Fundorten: "Es begann gewissermaßen römisch/archäologisch und
endet vorläufig im Woolworth-Warenhaus."
Diese Konstellation hat sich für
Dedo Gadebusch inzwischen nur wenig verändert: Mit sinnbildhaften
Figurationen "Unter Tempeln begraben", dem zeitlos aktuellen "Verhör",
mit "Hommagen" an den großen Visionär psychischer
und physischer Deformationen Francis Bacon, arbeitet er sich durch
Zeit und Welt,
durch die eigenwilligen Themen des "Theatrum mundi" (Blei,
1976/80).

Hommage á Bacon -
Ringträger -
"Kunst - sagt Gadebusch - ist
ein Versuch, die Welt für sich zu erklären." Die Zeiten,
in denen dieser oder jener Darstellungsstil als progressiv oder konservativ
einzuordnen
war, sind heute wohl endlich beendet. Was zählt, ist einzig
und allein das Werk, sind persönlich geprägte, kunstvoll
in Spannung gehaltenen Gebilde - erfundene Wirklichkeiten, geschaffen
aus Geist und Intuition.
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